Als Schüler hatte ich einen Freund, der bereits im Besitz eines Kontrabasses war, als ich noch tapfer auf meinen ersten Kontrabass sparen musste. Wir spielten zwar eigentlich in verschiedenen Bands, aber auch mal gelegentlich zusammen – damals bediente ich noch die Gitarre (immerhin eine alte Gretsch) und war etwas neidisch auf den Bass. Wir verloren uns dann nach den Abitur aus den Augen, aber gelegentlich erinnerte ich mich an damals, und an seinen Bass, von dem ich aber nicht viel mehr wusste, als dass er etwas runtergekommen war und ein komisches Griffbrett hatte. Als Schüler mit knappen Budget stört einen das aber nicht weiter – Hauptsache Kontrabass, und irgendwie spielbar.
Rund zwanzig Jahre später stellte ich durch einen Zufall fest, dass mein Schulfreund heute ebenfalls in Frankfurt lebt. Wie sich herausstellte, war er auch noch immer ist er im Besitz seines Basses – ein alter Kay-Bass – auch wenn er ihn seit Jahren nicht mehr spielt, denn inzwischen war sein Zustand nicht besser geworden.
Das gute Stück war in einem bedauernswerten Zustand – allerdings war er das ja auch schon, bevor er vor zwanzig Jahren den Besitzer wechselte. Das Sperrholz faserte an vielen Stellen schon auf, die einzelnen Lagen lösten sich an vielen Kanten voneinander. Im Unterbug klaffte ein spielkartengroßes Loch in der Zarge, das jemand zuvor mit Autospachtelmasse zu schließen versuchte. Als Griffbrett hatte man mal ein Stück Holz aufgenagelt (!), das eher an eine Dachlatte erinnerte als an ein Griffbrett. Die Folge: der Hals hatte sich schon ordentlich durchgebogen, da er ohne das Griffbrett dem Saitenzug nicht standhielt. Der Hals dieses Kay besteht aus zwei der Länge nach verleimten Hölzern, wobei zur Zierde noch ein schwarz gebeizter Holzstreifen mittig eingeleimt wurde. Das sah sicherlich früher mal ganz ansprechend aus, allerdings ging der Hals vor allem im Bereich des Wirbelkastens schon soweit aus dem Leim, dass man hindurch sehen konnte. Anstelle eines Stachels steckte irgendetwas Besenstielartiges im Unterklotz, aber die alten Kay-Stachel waren ohnehin so schlecht, dass das keinen Verlust darstellt. Eigentlich ein Bass in einem Zustand, bei dem man scharf kalkulieren muss, ob sich eine Reparatur lohnt oder nicht. Denn immerhin müssen die Reparaturkosten ja in einen gesunden Verhältnis zu einer Neuanschaffung stehen, um sich zu rechtfertigen.
Kay-Bässe haben ein treue Fangemeinde, und liegen nachfragebedingt preislich deutlich über vergleichbaren Sperrholzbässen anderer Provenienz, selbst wenn diese wesentlich besser gefertigt sein mögen. In Amerika mag die große Nachfrage nach den einheimischen Produkten auch mit einem gewissen Nationalstolz zusammen hängen. Bis in den 1930er Jahren erste amerikanische Firmen begannen, Kontrabässe in größeren Stückzahlen herzustellen, importierte man Streichinstrumente nahezu vollständig aus Europa bzw. Deutschland. So stehen Bässe von Kay, King oder Epiphone auch für ein Stück Musikgeschichte Amerikas – nicht zuletzt, weil viele prägende Musiker sich ihrer bedienten. Aber wie bei allem, für dass sich eine Sammler-Szene etablieren kann, lässt sich ein Preis bzw. Marktwert irgendwann nicht mehr rational erklären. Bei alten E-Gitarren ist das ja nicht anders: warum für ein vor 50 Jahren maschinell gefrästes Stück Holz in Stratocaster-Form mehrere zig-Tausend Dollar auf den Tisch geblättert werden, erschließt sich nur dem Sammler.
Für die Entscheidung, diesem Bass ein zweites Leben zu gönnen, war die monetäre Betrachtung aber zweitrangig. Allein schon wegen der damit verbundenen Erinnerungen erschien er uns erhaltenswert.
Zunächst einmal befreite ich den Kay von der Griffbrett-Atrappe. So bekam ich beidseitigen Zugang zur Mittelfuge des Halses. Mit dem Dampfreiniger holte ich den Schmutz von vier (?) Jahrzehnten heraus und verleimte den Hals neu. Dan klemmte ich den Hals ein paar Wochen auf ein Kantholz, um zu sehen, wie weit er sich wieder geradebiegen lassen würde. Tatsächlich näherte er sich auch wieder etwas seiner Ideallinie an, allerdings wurde ein anderes Problem offenbar: alte Kay-Bässe haben einen sehr flachen Halswinkel. Bei diesem Bass ist er so flach, das man eigentlich kaum einen Steg darunter bekommt. Den Hals neu einzupassen ist aber sehr aufwändig: Kay-Hälse wurden wie bei einer Gitarre mit einer Schwalbenschwanz-Verbindung in den Halsklotz eingesetzt. Daran lässt sich wenig ändern, so dass man eigentlich gleich den Halsklotz mit austauschen muss. Dann wiederum sollte man aber auch über einen komplett neuen Hals nachdenken… . Ich habe mich stattdessen für einen minimal-invasiven Weg entschieden: der Hals blieb dran, bekam aber einen Keil unter das Griffbrett verpasst. Damit stabilisierte ich auch gleichzeitig den sowieso schon etwas zu dünnen Hals. Komplett austauschen kann man den später immer noch, wenn es sich als erforderlich herausstellen sollte.
Neben dem Schwalbenschwanz haben Kay-Bässe noch weitere pragmatische Eigenheiten. Die Reifchen im Inneren des Korpus sind geschlitzt, um sie einfacher biegen zu können. Dennoch wurden sie nicht immer sauber verleimt, und auch nicht wie im Geigenbau üblich in die Eckklötze gesteckt.
Auch bei der Schnecke entschied man sich bei Kay für einen sehr ökonomischen Weg: um Holz und Zeit zu sparen, wurden sie einfach links und rechts angeklebt. Natürlich fielen sie bei den meisten Kay-Bässen inzwischen längst ab.
Doch zurück zum Restaurationsobjekt: Das Loch in der Zarge stellte mich zunächst vor einige Fragen. Nach dem Entfernen der Spachtelmassen-Reste schnitt ich zunächst das Loch in den außenliegenden Furnierschichten etwas größer. Durch die darunterliegenden Schichten hatte ich eine Leimfläche, auf die ich ein passendes Stück neues Furnier aufleimen konnte. Mit mehreren Schichten baute ich die Zarge neu auf, und verschliff die Kanten glatt mit der alten Zarge und lackierte die Stelle neu mit Spirituslack.
Ein neuer Stachel, Saitenhalter, ein neuer höhenverstellbarer Steg sowie ein Ebenholz-Griffbrett nebst Sattel vervollständigten den Kay dann schließlich. Im Inneren des Kay steckte noch der originale Stimmstock. Kay verwendete vielfach nicht wie sonst üblich Fichte, sondern ein Hartholz mir unbekannter Sorte. Auf die Richtung der Jahresringe (sonst quer zu Decke) achtete man nicht weiter, der Stab wurde einfach längs über die Länge eingesägt, und in diesen Schlitz steckte man den Stimmstocksetzer. Vermutlich hatte den Stimmstock seit seiner „Erstaufstellung“ vor 69 Jahren niemand mehr bewegt – die Staubablagerungen im Inneren deuteten zumindest darauf hin. So konnte auch niemanden auffallen, dass der Stimmstock so schräg abgesägt worden war, dass er nur ein paar mickrigen Quadratmillimetern Kontakt mit dem Boden hatte. Ich habe zunächst den Original-Stimmstock neu angepasst, befand dann aber den Klang mit einer neuen Fichten-Stimme als deutlich besser. Als Saiten zog ich die Presto Jazzicatos auf, die harmonieren klanglich ganz hervorragend mit dem Kay und kommen mit ihrer leichten Bespielbarkeit der langen Spiel- und Übepause seines Besitzers entgegen.
Siehe auch: Sperrholzbässe
Mehr Infos zu Kay-Bässen, Modellen, Seriennummern: www.kaybass.com
Moin zusammen, interessante Seite. ich auch Besitzer eines Kay-Basses von 1937. Ihm fehlte bereits ein Ohr (an der Schnecke), als ich vor einigen kaufte. Ich habe mir aus den USA ein neues Paar Ohren fu00fcr ca 22,-u20ac bestellt: http://www.kaybass.com/ Nennt sich scrolls:http://www.kaybass.com/TwoSetsofScrolls%20002.jpgnViele Gru00fcu00dfenStephan
..bin auch stolzer Besitzer eines Kay S1 von 1969..der klingt am besten mit Darmsaiten oder Stahlsaiten niedriger Spannung (bin aber kein “Slapper”!!)nDzt:Lenzner Supersolo kompl. blank.nIch liebe den du00fcnnen Hals.n
Toller Bericht! So etwas gerne u00f6fter! 🙂