Fachliteratur

Zwei Geigenbau-Bücher liegen momentan auf meinem Nachttisch, und beide haben, jedes auf seine Art, einen sehr persönlichen Einschlag, mit dem sie sich von anderem Fachbüchern unterscheiden.
„Geigenbauschule“ ist eine Faksimile-Ausgabe des Berichtshefts, dass der Autor Andreas Zimmermann, Geigenbaumeister aus Berlin, während seiner Ausbildung Ende der 1970er Jahre an der Geigenbau-Schule in Mittenwald geführt hat. Ein Berichtsheft muss ja hierzulande jeder Azubi im Rahmen der Dualen Ausbildung führen, und wochen- bzw. tageweise dokumentieren, welche Inhalte des betrieblichen Ausbildungsplans ihm vom Ausbilder tatsächlich vermittelt wurden. Die Lektüre solcher Berichtshefte kann also eine ziemlich trockene Angelegenheit sein – glücklicherweise ist das hier nicht der Fall; im Gegenteil: es vermittelt einen sehr detaillierten Einblick in den Geigenbau im Allgemeinen und von der Ausbildung in Mittenwald im Speziellen.
So umfassend wie die Ausbildung in Mittenwald ist auch das Berichtsheft: über das Herstellen und Zusammenfügen der Teile einer Geige, über das Lackieren und Einstellen des fertigen Instrumentes bis hin zu Reparatur-Methoden und dem Beziehen von Bögen ist alles akribisch festgehalten, und mit akkuraten Zeichnungen illustriert. Und da es ein Faksimile-Nachdruck ist, fehlen auch die Benotungen und Verbesserungen durch die Lehrer nicht.
Genau hier liegt aber auch die Schwäche des Buches: mit einer besseren technischen Aufbereitung und inhaltlicher Kommentierung hätte man mehr draus machen können. Die Reproduktionen der Zeichnungen sind recht kontrastarm, bei vielen Scans schlägt sogar das Wasserzeichen des Papiers durch. Die handschriftlichen Texte wurden nicht neu erfasst, sondern lediglich ebenso kontrastarm eingescannt. Die Handschrift des Autors ist nicht immer klar entzifferbar, und die Verkleinerung von A4 ins Buchformat tut ihr übriges, um das Lesen zu erschweren. Auch hier wäre für eine bessere Lesbarkeit zumindest eine reprotechnische Optimierung der Scans notwendig gewesen, wenn schon auf einen Satz der Texte verzichtet wird. So bleibt das Buch eine zwar durchaus lehrreiche, aber ziemlich anstrengend zu lesende Bettlektüre. Um im Duktus der Lehrer zu bleiben: „Bewertung des Berichts: 1; Bewertung des Buches: 4“

Das zweite Buch ist eine Neuerscheinung in englischer Sprache. „Violin Varnish – notes and articles from the workshop of Koen Padding“ würdigt das Schaffen des 2012 verstorbenen niederländischen Geigenbauers und Lackspezialisten Koen Padding.
Padding absolvierte seine Ausbildung zum Geigenbauer an der Newark School of Violin Making in Großbritannien. Seine Familie betreibt seit Generationen eine Fabrik zur Druckfarbenherstellung. So ist es nicht verwunderlich, dass er ein besonderes Faible für das Lackieren und die Lackherstellung entwickelte. Im Labor des elterlichen Betriebes hatte er eine Ecke eingerichtet, wo er forschte, Lackrezepte ausprobierte und weiterentwickelte. Die Ergebnisse seiner Arbeit brachte er als fertige Lacke unter dem Namen „Magister“ auf den Markt, die von Kollegen in aller Welt begeistert aufgenommen wurden.
Nach Paddings Tod wurde seine Werkstatt aufgelöst, und die Autorin des Buches, Helen Michetschläger, bekam es von der Familie ermöglicht, den geigenbauerischen Nachlass auszuwerten. Das Buch versucht, Koen Paddings Wissen über Geigenlacke zusammenzutragen, und für die Nachwelt zu erhalten. Es ist keine vollständige Anleitung zur Lackherstellung, es gelingt ihm aber, einen Einblick in Paddings Herangehensweise zu vermitteln. Es sammelt zahlreiche Artikel, die Padding für Fachzeitschriften verfasste, und ergänzt sie durch Texte von Weggefährten und Kollegen. Es schließt mit einer Auflistung der Materialien, die Padding zur Lackherstellung erwarb und die man in seinem Nachlass vorfand, und einer wissenschaftlichen chemischen Analyse seiner fertigen Lacke.
Ein Buch vor allem für Lack-besessene Geigenbauer, aber auch interessierte Laien, die mehr über Geigenlacke und ihre Herstellung erfahren möchten.

Geigenbauschule, Andreas Zimmermann; Nora-Verlag, Berlin 2004
Violin Varnish, Hrg. Helen Michetschläger; Doratura Publications, Sale (UK) 2015

Comment on “Fachliteratur”

  1. “…eine Faksimile-Ausgabe des Berichtshefts… Die Lektüre solcher Berichtshefte kann… eine ziemlich trockene Angelegenheit sein… ist das hier nicht der Fall; im Gegenteil: es vermittelt einen sehr detaillierten Einblick in den Geigenbau im Allgemeinen…”

    Ein großes Kompliment an Dich, Jonas – dafür, dass Du “Geigenbauschule” überhaupt entdeckt hast. Ich finde es absolut interessant, dass jemand sein Berichtsheft als Buch veröffentlicht. Wahrscheinlich ist so etwas aber auch nur deshalb möglich, da es sich hier um ein recht spezielles Thema handelt. Werde es mir gerne mal anschauen…

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