Im Kontrabassblog stelle ich ja regelmäßig neue Kontrabass-Produkte vor. Dieses Jahr waren bereits drei neue Knickstachel dabei – man kann also mit Fug und Recht von einem Trend sprechen. Anlass genug, um sich mit dem Knickstachel etwa ausführlicher auseinanderzusetzen.
Bei einem Workshop mit Francois Rabbath ist mir vor rund 25 Jahren das erste Mal ein Knickstachel begegnet. Rabbath gilt als geistiger Vater des Knickstachels, auch wenn das Prinzip schon früher im Instrumentenbau zur Anwendung kam. Seine Technik ist von Leichtigkeit geprägt, und ein Knickstachel zwar keine Voraussetzung, aber eine perfektes Hilfsmittel für seine Technik.
Bereits bei einer leicht nach hinten gekippten Haltung des Basses lastet ein großer Teil des Gewichts auf dem Daumen der Greifhand. Der Knickstachel verlagert den Punkt, wo der Stachel auf dem Boden steht, weiter nach hinten (zum Spieler), wodurch der Gravitations-Schwerpunkt des Basses nach vorne wandert. Ein Teil des Eigengewichts des Basses entlastet nun durch die Hebelwirkung den Spieler: der Bass fühlt sich leichter an.
Diese Wirkung verstärkt sich bei einer stärker nach hinten gekippten Cello-typischen Haltung weiter. Je weiter der Bass nach hinten kippt, desto bemerkbarer wird der Effekt des Knickstachels. Bei der für Jazz-Pizzicato üblichen fast senkrechten Haltung des Basses, bei der der Bass mit der Oberbug-Zarge am Bauch „geparkt“ wird, ist der nach hinten verlagerte Drehpunkt des Basses hingegen etwas gewöhungsbedürftig. Dennoch hat der Knickstachel mit Lynn Seaton und Rufus Reid auch unter den Jazzbassisten prominente Anhänger.
In seiner einfachsten Ausführung handelt es sich bei dem Knickstachel um einen konventionellen Stahlstab-Stachel, der um 40–45° abgeknickt (gebogen) wurde. Eine Fase (abgeflachte Seite) gibt der Schraube mehr Halt und hilft zu verhindern, dass sich der abgenickte Stachel in der Birne dreht. Dennoch bleibt das Drehen aufgrund der Hebelwirkung ein Problem dieses Designs. Außer in der Höhe ist ein gebogener Knickstachel nicht weiter einstellbar.
Das Stachelmodell des französische Bassbauers Christian Laborie, das in Zusammenarbeit mit den Bassisten François Rabbath, Nicholas Walker und Patrick Neher entstand, ist eine konsequente Weiterentwicklung der Knickstachel-Idee. Birne (Holz) und Stachel (Holz oder Carbon mit Hartgummi-Spitze) bilden hier eine feste Einheit; zur Montage wird hinter dem vorhandenen Stachelloch ein weiteres Loch in den Unterklotz gebohrt und konisch ausgerieben. Es sitzt im Abstand von 2–3 cm zum Boden, und nicht wie traditionell rechtwinkelig zur Zarge, sondern in einem Winkel von 40° bis 44°. Der Laborie-Stachel, der nicht höhenverstellbar ist, wird zum Spielen direkt in den Unterklotz gesteckt und zum Transport wieder herausgenommen.
Es erfordert schon ein wenig Überwindung, ein weiteres Loch in den Unterklotz seines Basses bohren zu lassen. Zwar lässt sich das zweite Loch wieder ausbuchsen und retuschieren, wenn man es sich anders überlegt. Aber es bleibt dennoch ein sichtbarer Eingriff. Eine reversible Alternative sind spezielle Holzbrettchen, die von außen auf den Unterklotz angebracht werden und als Adapter für den Laborie-Stachel dienen. Hier bleiben nach einer Demontage lediglich ein paar kleinere Löcher der Befestigungsschrauben zurück.
Auch der kanadische Bassbauer Mario Lamarre hat einen Kickstachel entwickelt, der sich ohne bleibende Veränderungen am Instrument montieren lässt. Der Lammax-Stachel besteht aus einem Aluminium-Rahmen und einer speziellen Birne, die verdrehsicher im Unterklotz montiert wird. Alle Winkel sind stufenlos verstellbar. Zur Höhenverstellung dienen unterschiedlich lange, austauschbare Carbonstäbe.
Der Chromatic Endpin des Bassisten Emilio Guarino ist sehr einfach zu montieren: er kommt in die vorhandene Birne und wird gegen den geraden 10-mm-Stachel ausgetauscht. Der Stachel hat an der Knickstelle ein Zahngelenk, das sich im Winkel verstellen lässt. So ist der Chromatic Endpin in der Höhe und im Winkel anpassbar. Um ein Verdrehen zu verhindern, hat der in der Birne sitzende Rundstab eine Fase.
Keinerlei Umbauten und hohe Anpassbarkeit an die ergonomischen Anforderungen des Spielers bietet der RobPin von Rob Anzelotti.
Wichtigstes Merkmal des RobPin ist der „Bottom Block Rest“, der das Gewicht des Basses aufnimmt und damit Stachelbirne und Unterklotz entlastet. Einmal auf die passende Größe eingestellt, wird der RobPin nur noch anstatt des konventionellen Stachels in die vorhandene Birne eingeschoben und verschraubt. Der „Bottom Block Rest“ und das Gewicht des Basses verhindern, dass sich der RobPin beim Spielen unbeabsichtigt dreht.
Zur individuellen Einstellung der Höhe stehen verschieden lange Stababschnitte zur Verfügung. Der Winkel des Stachels kann auf 25°, 35°, oder 45° eingestellt werden. Der RobPin eignet sich für alle Stachelbirnen mit Stabdurchmesser 10 mm; für abweichende Durchmesser sind passende Adapter lieferbar.
Für alle, die neugierig geworden sind, mal einen Knickstachel zu probieren, habe ich noch einen Tipp: Beim Wechsel vom geraden Stachel zum Knickstachel habe ich mich zunächst auf die neue Spielhaltung einstellen müssen. Die Feinjustierung des Stachels und die neue Körperhaltung erforderten Zeit und Aufmerksamkeit, so dass ich gar nicht so sicher war, wieviel Effekt der Knickstachel denn überhaupt hat. „Andersherum“ ist der Effekt sehr viel spürbarer: als ich den Knickstachel wieder gegen den geraden Stachel austauschte, kam es so vor, als hätte der Bass von einer Minute auf die andere einige Kilo an Gewicht zugelegt.
Die meiner Meinung nach konstruktiv und fertigungstechnisch hochwertigste Lösung ist der “Lammax” – Anbau an den “Lamario” Stachel von Mario Lamarre, ein Geigenbauer aus Montréal. Der Lamario ist hierbei ein normaler, gerader Stachel mit einer Nut, für die eine “Sperrschraube” von ca. 5mm breite in den Unterklotz zu schrauben ist. Das ist der Verdrehschutz. Dann wir der Stachel montiert und kann ganz normal eingestellt werden. Die Stange ist Karbon mit einem abschraubbaren Gummiball auf einer Stahlspitze. Der Stachel ist stufenlos. Darüber wird eine Art “Manschette” mit einem zweiten Stachel mit Knickmechanik geschoben und mit einer Schraube festgeklemmt. Das hält bombenfest. Der Winkel ist hier frei einstellbar, die Länge des Knickstachels muss man allerdings selbst “ablängen, wenn man seine Spielposition gefunden hat – es ist eine ca. 25cm lange Karbonstange, wie die beim Grundstachel “Lamario”. Eine praktische Seite wenn man mehrere Bässe damit ausrüsten möchte ist die, dass es reicht, in alle Bässe den deutlich günstigeren “Lamario” einzubauen und sich nur einen “Lammax” zulegt, den man dann nach bedarf auf den gerade verwendeten Bass montiert. Webseite: http://www.lamario.ca
Den RobPin hatte ich vorher mal probiert, aber der kaum wirksame Verdrehschutz ließ meinen sehr schräg stehenden Bass ständig abdrehen. Ein weiteres Manko war das Fehlen einer echten Spitze und die Gummiauflage der Block Rest sollte eigentlich schon bei der Montage mit ‘nem Filz überklebt werden, wenn man keine Schlieren haben will, wenn sich das Teil dann eben doch verdreht. Die Verarbeitung des Lamario und Lammax ist auch in einer ganz anderen Liga als der RobPin, der mit seinen drei fixierten Winkeln sowieso nicht wirklich durchdacht erscheint. Aber auch das Ding wird seine Freunde finden. Wenn Du die Gelegenheit und das nötige Kleingeld hast (ein Ensemble aus Lamario und Lammax kostete mich 750 CAD also so um die 500 Euro) empfehle ich Dir diesen Knickstachel zu verwenden. Es gibt auch auf youtube ein kurzes Video, das er von seiner Homepage aus verlinkt hat. Schöne Grüße, Bass ahoi!