„Baisse in Bebop – Montagabend gestrichen …
Das Jazz-Studio des NWDR sendete seinen letzten Bebop in den Aether. Die vieldiskutierte Montagssendung stellte ihre Sendungen ein, „auf einen Wink von oben“, heißt es. In den Kreisen der Jazzisten herrscht Baisse-Stimmung.
Die Jazz-Enthusiasten werden sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammenschließen. Sie sagen, daß ihr Jazz-Studio zu den beliebtesten Sendungen gehörte. Eine Flut von Zuschriften beweise das. Die meisten seien positiv gewesen. Mitte des Jahres hatten sich Christian Törsleff, der Leiter der Abteilung Tanz- und Unterhaltungsmusik im NWDR, und der 20jährige Alec Korner vom britischen Soldatensender BFN zusammengetan, um das Jazz-Studio zu gründen. Korner brachte ein reichhaltiges Plattenarchiv neuester amerikanischer Aufnahmen mit.
Harry Hermann Spitz, Chef der NWDR- Musikabteilung, war einverstanden. Während des Krieges hat er in den USA große Orchester dirigiert. Er ist jazztolerant. Die deutschen Hörer sollten im Jazz- Studio gewissermaßen Nachhilfeunterricht bekommen. Sie waren auch in dieser Hinsicht in der braunen Zeit etwas zurück- geblieben. Man wollte ihnen zeigen, was Jazz ist. Mit deutscher Gründlichkeit sollte der Unterricht beim Ur-Jazz beginnen und beim modernsten Vertreter aufhören: vom Ur-Jazz-Vater Buddy Bolden bis zum Bebopspezialisten Dizzi Gillespie.
Es gab Pannen. Anstatt chronologisch behutsam vorzugehen, ließ man gleich die wildesten Dissonanzen auf die unschuldi- gen Ohren der NWDR-Hörer los. Man wurde sich auch nicht so recht einig darüber, welche Richtung die wahre wäre. Die Meinungen selbst von Jazz-Profis sind zweigleisig. Die einen behaupten, reinen Ur-Jazz gäbe es nur in der Form des Improvisierens mit einem Klangkörper von höchstens acht Instrumenten. Die anderen sagen, Jazz sei nur eine Art Dachbegriff, er schließe auch die orchestrale Form der Jazz-Musik, die Swing-Musik, mit ein.
Im von der Zeitschrift “Hör zu” entfesselten Aetherkrieg machten die Hörer ihrem Herzen Luft über die wilden Arrangements einzelner hotfreudiger Dirigenten. Damals goß Harry Hermann Spitz Oel auf die kochenden Seelen. Die Melodien siegten. Die Tanzmusik wurde “sweet”.
Swing-sweet-Musik hat man auch jetzt versprochen, als Pflasterehen für die Schließung des Jazz-Studio. Aber für die Jazz-Fans ist das kein Ersatz. Es ist fürsie auch kein Trost, daß Köln seinen JazzAlmanach weitersenden wird. Die neuestenSchallplatten des Kölner Archivs stammten aus dem Jahre 1935, sagen sie.“