Immer wieder überrascht mich die Jazzgeschichte mit Musikerbiografien, deren Schaffen mir (und wohl nicht nur mir) aus unterschiedlichsten Gründen bislang verborgen geblieben waren. Der Jazz ist voll davon!
Der Gitarrist Oscar Alemán ist ein Zeitgenosse und Freund Django Reinhardts. Er überlebte Django fast drei Jahrzehnte, ist aber heute außerhalb Argentiniens kaum noch bekannt. Der Jazzkritiker Leonard Feather schrieb: „Alemán has more swing than any other guitarist on the continent. (…) His tone, phrasing, swing, and attack are so grand that if anyone ever mentions Django Reinhardt to me again, I shall stare coldly.“ Und Musiker David Grisman sagte: „It has always been a mystery to me as to why this other remarkable proponent of acoustic swing guitar has been so ignored and unrecognized in relation to Django.”
Oscar Alemán kam 1909 im Norden Argentiniens zur Welt. Bereits mit sechs Jahren trat er mit der Band seiner Familie auf. Als er 10 Jahre alt war, starb seine Mutter, sein Vater nahm sich das Leben. Er schlug sich von nun an als Tänzer und Straßenmusiker in Santos (Brasilien) durch, sparte das Geld für eine Gitarre und wurde Berufsmusiker. 1929 kam er mit dem Tänzer Harry Fleming nach Europa. 1930 entdeckte er den amerikanischen Jazz – die Aufnahmen von Eddie Lang und Joe Venuti hatten es ihm angetan. Er zog nach Paris, wo er das Orchester von Josephine Baker im Café de Paris leitete. Dort bekam er die Gelegenheit, mit amerikanischen Jazzgrößen wie Louis Armstrong und Duke Ellington zu spielen. Sein Repertoire war sehr vielseitig, und bestand sowohl aus lateinamerikanischen Stücke wie Tico Tico, La Cumparsita, La Cucaracha und Besame Mucho als auch aus amerikanischen Swing-Hits wie I got Rhythm, Whispering, Daphne, In the Mood. Er spielte in der damals für Paris typischen Hot-Club-Combo-Besetzung mit Gitarren, Bass und Geigebzw. Klarinette, aber auch in größeren Besetzungen mit Klavier, Schlagzeug, Saxophonen und Trompeten.
Nach dem Einmarsch der Nazis musste Oscar Alemán Frankreich verlassen. Er kehrte nach Argentinien zurück, wo er 1944 mit der Aufnahme von Rosa Madreselva („Honeysuckle Rose“) einen erfolgreichen Hit landete. Mit „Alemán and his Cinco Caballeros“ trat er auch regelmäßig in Radio und TV auf. 1972 nahm Oscar Aleman eine letzte LP auf: Aleman ’72.
Mit Django Reinhardt verband ihn während seiner Zeit in Paris eine enge Freundschaft: „I knew Django Reinhardt well. He used to say jazz was gipsy — we often argued over that. I agree with many Americans I met in France who said he played very well but with too many gipsy tricks. (…) But I admired him and he was my friend. He was my greatest friend in France. We played together many times, just for ourselves. I used to go to his wagon, where he lived. I’ve slept and eaten there — and also played! He had three or four guitars. Django never asked anyone to go to his wagon, but he made an exception with me. I appreciated him, and I believe the feeling was mutual.“
Wie Django Reinhard spielte Oscar Alemán eine Selmer-Maccaferri-Gitarre (D-Loch) – alten Fotos nach zu urteilen spielte er die Gitarre aber im Stehen, und nicht wie damals üblich im Sitzen. Er benutzte auch anders als Django kein Plektrum (Pick): „He ((Django)) had very good technique for both hands, or rather one hand and a pick, because he always played with a pick. Not me, I play with my fingers. There are things you can’t do with a pick—you can’t strike the treble with two fingers and play something else on the bass string.“
Buchtipp: „Le roi Invisible“ von Gani Jakupi
Dieser BD (Comic) in französischer Sprache widmet sich der Biografie Oscar Alemáns.