Gutes Timing beweist einmal mehr die die WDR Bigband: Sie bringt mitten in der Corona-Krise die WDR Big Band Play Along App heraus, die es dem geneigten Jazzmusiker ermöglicht, von zu Hause aus mit der Band zu jammen. Die App gibt es für iOS und Android. Sie arbeitet mit 11 individuell steuerbaren Instrumentalspuren und bietet zudem hilfreiche Funktionen wie Stummschalten, Anwählen von Solo-, Count-Off- oder Metronomspuren. Nützlich ist auch der Notendownload – zwar werden die Stimmen auch auf dem Tablet-Display angezeigt, aber die Schriftgröße der Akkordsymbole ist so klein gewählt, dass man sie kaum erkennen kann. Das ist aber eigentlich auch schon der einzige Kritikpunkt an dieser fantastischen App.
Als Projektleiter zeichnet der umtriebige John Goldsby, der Bassist der Band, verantwortlich. Ich habe mich mit ihm über die App unterhalten:
Die Play-Along-App kommt zu einem guten Zeitpunkt: Die meisten Musiker, egal ob Profi oder Amateur, befinden sich aufgrund von Corona derzeit in einer Phase ohne Auftritte und Proben. Wann und wie ist die Idee zu einer solchen App entstanden?
Ich habe im Laufe der Jahre viele Play-Along-Aufnahmen aufgenommen. Ich bin in der Nähe von Jamey Aebersold aufgewachsen und habe mit ihm gearbeitet, als ich mit dem Kontrabass anfing. Er fragte mich in den 70er bis 90er Jahren, bei einigen seiner Play-Along-Alben mitzuspielen. Ich habe auch oft Play-Along-Tracks für mein eigenes Üben benutzt, und ich denke, dass sie sehr wertvoll sind, wenn sie gut verwendet werden. Ich freue mich, jetzt mit der WDR Big Band Play Along App einen Beitrag zur Musikszene zu leisten. Es ist eine großartige Gelegenheit für Bassisten und alle anderen Musiker, an ihren Vomblattlese- und Ensemblefähigkeiten zu arbeiten, während sie mit einer Weltklasse-Big Band spielen.
Und wann wurde mit der Entwicklung der App begonnen?
Ich habe mich vor ungefähr zwei Jahren zum ersten Mal an den WDR gewandt und mich mit Leuten aus der Orchesterabteilung sowie der Digitalabteilung getroffen. Ich stellte die Grundidee einer Play-Along-App vor und erstellte einige grobe Wireframe-Modelle dazu, wie das Produkt aussehen könnte, und wie es funktionieren würde. Ich habe dann endlich die Zusage bekommen, die App zu produzieren, und wir haben vor ungefähr 8 Monaten begonnen, mit einem Entwickler zusammenzuarbeiten und alle Elemente in Position zu bringen. Es ist ein glücklicher Zufall, dass die App just in diesen seltsamen Zeiten der Selbstisolation und Quarantäne fertiggestellt wurde und auf den Markt kam.
Man kann in dieser App – anders als bei Play-Along-CDs, wo ja nur die beiden Stereokanäle zur Verfügung stehen – alle Instrumente einzeln stummschalten oder isoliert hören. Die WDR Bigband hat 17 Musiker und Musikerinnen: war das nicht ungeheuer aufwändig, alle Instrumente des Orchesters isoliert und ohne Übersprechungen aufzunehmen?
Wir haben tatsächlich 17 Instrumente in der WDR Big Band. Für die WDR Big Band Play Along App haben wir zuerst die Rhythmusgruppe aufgenommen, wobei alle akustisch getrennt waren (der Bass in einer Iso-Booth), dann haben wir die Bläser einzeln aufgenommen – erst die Lead-Spieler, dann die Section-Bläser. Unser Toningenieur Christian Schmitt mischte danach alles zu einem homogenen Sound zusammen. Mit der App bekommt man also 11 Spuren mit Instrumenten, die man solo, stumm schalten oder laut-und-leise mischen kann. Plus einen Kanal mit allen improvisierten Soli, einer Klickspur, den Einzähler-kanal und den Kanal mit allen sechs „anderen“ Ensembleinstrumenten. Die Aufnahme dauerte mehrere Tage, da die meisten Instrumente ihre Parts alleine aufnehmen müssen.
Mit dem Download landen zunächst zwei Stücke auf dem Tablet, weitere drei Stücke kann man – sofern man den Platz auf seinem Gerät hat – einzeln herunterladen (und löschen), eine sehr anwenderfreundliche Lösung. Ist geplant, in Zukunft weitere Stücke zum Download zur Verfügung zu stellen?
Wir bereiten uns darauf vor, acht weitere Stücke für die App aufzunehmen. Wir haben vier Arrangements für Anfänger (mit ein Jahr Spielerfahrung) und jeweils zwei Kompositionen von den Weltklasse-Arrangeuren Michael Abene und Vince Mendoza in Auftrag gegeben. Bei den meisten Stücken spiele ich Kontrabass, bei den beiden Stücken von Vince Mendoza spiele ich E-Bass. In der App sollte etwas für Musiker aller Spiel-Levels dabei sein – egal ob Anfänger, Hochschulstudent, Amateur oder Profi. Wir werden auch weitere zusätzliche Stimmen für Instrumente wie Flöte und Klarinette hinzufügen.
Es war notwendig, eine Option zum Laden oder Löschen der Audiodateien am Smartphone oder Tablet in die App zu integrieren, da die Stücke viel Speicher belegen. Es sind ist nicht nur eine einzelne Audiospur für jede Komposition – es sind jeweils 15 separate Spuren!
Die Noten der einzelnen Stimmen kann man sogar herunterladen und ausdrucken, so dass man auch als Band (und ohne App) die Stücke nachspielen kann. Dennoch hat der WDR die App kostenlos veröffentlicht. Bleibt das so?
Die App bleibt kostenlos. Wir sind eine öffentlich-rechtliche Big Band und dies ist ein Bildungsprojekt für die Musiker jeden Alters in Deutschland. Dieses Projekt ist ein Teil unserer Leistung für die Kultur- und Musikgemeinschaft in Deutschland. Die App ist übrigens nur in Deutschland verfügbar, und das hat mit den Lizenzgebühren für die Nutzung der Musik zu tun.
Wir hoffen, dass Bandleader, Schulbandleader und Musiker die kompletten Arrangements bei Interesse direkt von den Komponisten kaufen. Der WDR wird damit kein Geld verdienen, aber die Komponisten werden davon profitieren. Mit jedem Arrangement in der App stehen 11 Stimmen als PDFs zur Verfügung. Wenn man die restlichen sechs Stimmen und die Partitur des Dirigenten wünscht, kann man sich direkt an den Arrangeur oder seinen Verlag wenden – alle Kontaktinformationen der Arrangeure findet man in der App.
https://www1.wdr.de/orchester-und-chor/bigband/playalong-app-108.html
Nur in Deutschland bis heute.
ja, John erklärt ja warum: es hat lizenzrechtliche Gründe. Die GEZ-Gebühren werden ja schließlich auch nur im Inland erhoben. 😉