Im Jahre 2006 stellte ich hier im Kontrabassblog eine damals noch junge Errungenschaft des Internets vor: „Eines der Portale, die in letzter Zeit im Internet für Furore sorgten, ist das Video-Portal YouTube“.
Huch – es gab mal Internet ohne YouTube?!? Kann man sich heute kaum mehr vorstellen …Zu den Filmen, die ich damals sofort in meiner Favoritenliste gespeichert und hier vorgestellt hatte, gehörte Hellzapoppin: „Dieser Clip ist mein absoluter Favorit. Wer nicht weiß, was Lindy Hop und Jitterbug ist und akrobatisch-extasische Tanzimprovisation vor allem mit Rock’n’Roll assoziiert, bei Miniröcken an die 60er Jahre denkt und sexy Musikvideoclips für eine Erfindung von MTV hält, der sollte sich unbedingt diesen Film aus dem Jahre 1941 ansehen und kulturhistorischen Kenntnisse etwas auffrischen. It’s all Jazz, man.“
Obwohl es ja bereits Farbfilme gab (so zum Beispiel dieser Film mit einem Magdeburger Trompeter aus dem Jahre 1935), wurde Hellzapoppin noch in Schwarz-Weiß gedreht. Aber auch hier macht der technische Fortschritt nicht halt: DeOldify nennt sich das Verfahren, wenn künstliche Intelligenz aus alten Schinken farbige Filme macht.
DeOldify is an open-source, Deep Learning based project to colorize and restore old images and film footage. DeOldify uses AI neural networks trained with thousands of reference pictures. https://github.com/jantic/DeOldify
Und so kann man Hellzapoppin nun in Farbe sehen. Auch wenn nicht alle Nuancen stimmen – das Ergebnis ist schon sehr beeindruckend, und rückt die Vergangenheit ein wenig näher an die Gegenwart, wie ich finde.
1941 war ein Jahr, in dem hierzulande der Krieg tobte und Nazi-Deutschland seine Macht überall in Europa ausbaute. Und die deutsche Jugend lieber marschierte als tanzte. Unweigerlich stelle ich mir beim Anschauen des Films dann doch immer wieder die Frage: Was wäre denn wohl gewesen, wenn dieser Film in den deutschen Kinos gelaufen wäre? Hätten nicht vielleicht doch auch ein paar Deutsche Jazz und Tanzen cooler gefunden als das Marschieren?
So progressiv der Film auf den ersten Blick auch wirken mag, so sehr ist doch auch er Ausdruck des zeittypischen Alltagsrassismus der USA. Der Clip ist ein Ausschnitt aus einem ziemlichen absurden und zu Recht in Vergessenheit geratenen Film, in dem sonst nur weiße Amerikaner vorkommen – außer eben in dieser Tanzszene, die für die Handlung aber eigentlich vollkommen überflüssig ist. Bis auf eine kurze Szene, wo ein Witz über den Kontrabass gemacht wird (hahaha), kommen Schwarze und Weiße nie gemeinsam ins Bild – diese Form der Rassentrennung war damals gängige Praxis in Hollywood. Die Kleidung der Musiker und Tänzer lässt auf für Schwarze typische Berufe schließen: Dienstmädchen, Chauffeur, Koch, Hausmeister – also Berufe, in denen sie Weißen dienten.
Auf dem Filmplakat (anders als der Film in Farbe) sind die Tänzer übrigens als Weiße abgebildet.