Für das auch sonst hochkarätig besetzte Jazzfestival “Enjoy Jazz” wurde Charlie Haden gleich mahrfach verpflichtet. Am Samstag, 3.11., spielt Charlie Haden mit seinem Quartet West in der Mannheimer Feuerwache. Am Sonntag, 4.10., gibt er in der Hochschule Mannheim eine Masterclass, und am Montag, den 5.11. spielt er mit Brad Mehldau im Duo.
Ein subjektives Resumee der Charlie-Haden-Masterclass vom 04.11., um das ich von einigen Seiten schon gefragt wurde – daher hier nochmal allgemein zugänglich gemacht.
Also –
die Karnevalsvereine haben zwar erst am daraufffolgenden mit drei f Sonntag (11.11.) mal wieder zur Mobilmachung aufgerufen. Dennoch war ich bereits am 04. als Bassist verkleidet bei der nachmittäglichen Charlie-Haden-Masterclass am vorvergangenen Sonntag in der Jazz-Abteilung der Mannheimer Musikhochschule.
Das war nett. Vor allem gab es Seine anschaulich erzählte Biographie mit ein paar Schwänken und Pointen – schon kurzweilig und auch irgendwie interessant. Es gab sogar zwischendurch Kaffee und Kuchen. Lustig war auch, daß ein sehr begabter Bassist und fleißiger Student (mein Ex-Schüler Maurice Kühn) neben mir eine Mappe mit Haden-Transkriptionen und Interviews dabei hatte und an einer Stelle auf ein (ich glaube) ziemlich altes Jazz-Podium-Interview tippte, das Haden da vorn an seinem Tisch gerade genau so (sozusagen beinahe simultan übersetzt) und leibhaftig wiedergab. Echt live eben. Insofern und im Übrigen kommt er völlig ohne Workshop-Konzept aus. Der Begriff “Masterclass” erscheint für diesen immerhin lustigen Nachmittag im Nachhinein nicht verwendbar.
Das Lustigste war bzw. entstand daraus, daß Rainer Kern vergessen hatte, (wie am Vortag von Haden angefordert) einen Pianisten und einen Drummer zu organisieren und deshalb plötzlich hektisch ´rumrannte, bis er mit zwei Klassik-Pianisten im Schlepptau wiederkam, die er offenbar aus irgendeiner Übezelle hervor an´s Tageslicht gezerrt hatte (so viel zur diesbezüglichen Materie-Kenntnis des – u. v. a. – “Enjoy Jazz”-Festival-Veranstalters). Die saßen nun nacheinander am Piano, sahen gleichzeitig begabt und reichlich verstört aus (alle beide) und wußten auf Hadens Frage, über welchen Standard sie ihn begleiten könnten, keine Antwort. Nach einigen peinlichen Schweigeminuten rückte das koreanische Mädel dann plötzlich damit heraus, sie könne “Waltz For Debbie” oder “Green Dolphin Street” spielen, was Haden jeweils mit abwehrender Geste so ungefähr a la “Hände hoch” quittierte. Ein Schelm, wer sich da das Grinsen verbeißen mußte. Es gibt anscheinend seither in einem Teil der Jazz-Szene den “running gag”, diese Szenerie zu Zweit zu rezitieren, indem Einer unvermittelt “Waltz For Debbie” sagt und ein Anderer die Augen aufreißt und übertrieben reflexhaft die Hände erhebt. Das mit “Debbie” wäre auch eh nichts geworden, denn die symphatische kleine Koreanerin wußte halt echt offensichtlich nicht, was unser Dozent mit “begleiten” meinte, sondern dachte offenbar an ihre Solo-Vortragsversion. Das war auch unserem wackeren Charlie nicht entgangen, der schon bei oder wenigstens seit Übertreten der Türschwelle immer mal wieder angestrengt zu überlegen schien, was er denn nach seiner Lebensgeschichte sonst noch zum Besten geben könne (“Schwellenpädagogik”), und prompt forderte er sie dann auch auf, den “Waltz” doch einmal zu spielen. So lauschten wir, also an die 20 Bassisten, einer ziemlich getragenen Piano-Solo-Version, die irgendwo zwischen amerikanischem Musical und deutscher Romantik aus koreanischer Sicht sowie auf Basis von internationalem Bar-Piano arrangiert war – und applaudierten artig. Ein denkwürdiger Programmpunkt der Masterclass für Leute mit Sinn für das Skurrile.
Was war da noch? Da es ja nun ein Baß-Workshop war, hatte er, Charlie, sich noch reihum für das Equipment der versammelten Bassisten interessiert (ich hatte mir einen mit Wilson-Pickup ausgerüsteten Grünert-Hochschul-Baß ausgeborgt; seine Frage an mich war: “Do You like the Pickup?” – meine Antwort: “No” brauchte anscheinend keine erklärenden Worte – vielleicht kannte er den Pickup schon; jedenfalls fand er diese Konversation offenbar ausreichend und ging in der Art weiter von Baß zu Baß), hatte ein paar Leute etwas Solo-Kontrabaß vorspielen lassen (sein einziger (!) Kommentar nach jedem Vortrag: “yeah, great”) und auch selbst noch eine Improvisation gespielt – nachdem es dem Organisationsstab endlich gelungen war, den Schlüssel zu seinem Baßkoffer aufzutreiben. Anschließend bekannte er, er habe dieses “Solar” schon 20 Jahre nicht mehr gespielt – was ich, obwohl seine Extemporierungen durchaus so geklungen hatten, dennoch nicht recht glauben mochte (er gibt ja doch öfters mal Workshops, nicht?), aber ich dachte dann – na ja, er spielt halt eh ausschließlich sein Ding, also Haden-Musik – und so klang das halt eben vor Allem. Also, was soll´s. Ist gut so. Und außerdem hat er immer ein paar tolle Bandprojekte und auch außermuskalisch ein paar tolle Aktionen in die Welt gesetzt. Er als Jemand, der jahrzehntelang praktisch auschließlich sein Ding entwickeln konnte, wird dann eben auch unverwechselbar in seinen Linien und seinem Gesamt-Sound (ich finde, das muß ich schon noch sagen, auch in interessanter Kausalität mit seiner von instrumentaler Technik nahezu unberührten Baß-Spielweise). Well, yeah, great.
Tja, so war das.
Beste (bässte) Grüße – Johannes