Bereits am 9. September starb der großartige George Mraz. Er kam als Jiří Mráz am 9 September 1944 in Písek (Südböhmen/Tschechien) zur Welt. Durch die Radiosendungen von Voice Of America entdeckte er den Jazz: „Der erste Jazz, den ich je hörte, war Louis Armstrong, als ich etwa zwölf Jahre alt war. Diese seltsame Stimme von Satchmo zwischen all den leichten Operetten und anderen Sachen war ein ziemlicher Schock. Wie kann er mit so einer Stimme durchkommen, dachte ich. Aber als die Sendung vorbei war, beschloss ich, dass es mir besser gefiel als alles, was ich an diesem Tag gehört hatte, und so begann ich, mich mit Jazz zu beschäftigen”, erinnerte sich Mraz. „Um Mitternacht kam Voice Of America für eine Stunde oder so … mein Radio war nicht so toll, und es war schwer, den Bass herauszuhören. Also hörte ich auf alle Instrumente und wie sie zusammenspielten, anstatt mich nur auf den Bass zu konzentrieren. Ich bin wirklich von allem beeinflusst worden, was ich gehört habe, aber natürlich habe ich besonders auf Ray Brown, Scott LaFaro, Paul Chambers und Ron Carter geachtet.“
Bis 1966 studierte er am Prager Konservatorium Kontrabass und lebte anschließend für einige Zeit in München. In dieser Zeit ging er mit seinem Landsmann Jan Hammer („Miami Vice Theme“), Benny Bailey, Carmel Jones, Leo Wright, Mal Waldron und Hampton Hawes auf Tour. Nach dem Ende des Prager Frühlings 1968 wanderte er in die USA aus, und studierte er mit einem Stipendium in Boston/Berklee. Bereits ein Jahr später erhielt Mraz einen Anruf von Dizzy Gillespie, der ihn in seine Band holte. Nach ein paar Wochen mit Dizzy ging Mraz für etwa zwei Jahre mit Oscar Peterson auf Tournee, und spielte für die darauffolgenden sechs Jahre mit dem Thad Jones/Mel Lewis Orchestra. In den späten siebziger Jahren spielte er, inzwischen US-Staatsbürger geworden, mit Stan Getz, dem New York Jazz Quartet, Zoot Sims, Bill Evans, John Abercrombie und über zehn Jahre lang mit Tommy Flanagan.
Auf mehr als 400 Schallplatten ist George Mraz zu hören. Zwei davon haben mich als Kontrabass-Neuling sehr beeindruckt und geprägt:
Tommy Flanagan: Giant Steps
Zusammen mit Al Foster am Schlagzeug widmeten sich Mraz und Pianist Tommy Flanagan 1982 den Kompositionen John Coltranes. Flanagan wirkte als Pianist auch schon bei Coltranes legendärer Platte „Giant Steps“ (rec. 1959) mit – eine Aufnahme, die bis heute wohl von jedem ernsthaften Jazzmusiker analysiert und seziert wird. Coltrane hatte seine Band erst wenige Stunden vor dem Aufnahmetermin mit seinen Kompositionen vertraut gemacht, und Flanagan macht nach Meinung vieler keine sehr gute Figur bei seinem Solo. Allerdings sollte man dazu wissen, dass Cedar Walton, der bei einem Alternate Take zu diesem Album am Klavier saß, erst gar kein Solo spielte.
Oscar Peterson: Walking the Line
1970 nahm Oscar Peterson für den MPS-Produzenten Brunner-Schwer zusammen mit Mraz und Drummer Ray Price das Album „Walking the Line“ auf. Diese Trio-Besetzung mit Mraz/Price folgte auf die Trios mit Ray Brown/Ed Thigpen und Sam Jones/Bobby Durham. Es existierte nur kurze Zeit und nahm zwei Alben für MPS auf. Oscar Peterson mochte es nicht sonderlich, wenn seine Bassisten zum Bogen griffen – durchaus nachvollziehbar, wenn man z.B. Ray Browns Gekrächze auf „Flamingo“ hört. George Mraz beherrschte allerdings auch das gestrichene Bass-Solo meisterlich, wie er auf dieser Platte bei „Just Friends“ bewies.