In der Werkstatt stoße ich bei Reparaturen immer mal wieder auf Instrumente, die eine kleine Geschichte erzählen. So auch dieser Bass: nach dem Abnehmen der Decke kommt auf dem Boden eine mit Bleistift geschriebener Text zum Vorschein. Mit etwas Geduld und der Hilfe von digitaler Bildbearbeitung konnte ich die blasse Inschrift dann auch entziffern: „Zu jedem Boden gute Pflaster geben. 10 Stück“.
Hier hat also der Meister seinen Werkstatt-Mitarbeitern eine Arbeitsanweisung auf das Werkstück geschrieben. Kontrabassböden werden i.d.R. aus zwei Teilen zusammengefügt, und die Leimfuge in der Mitte mit „Klötzchen“ (oder „Pflastern“) belegt. 10 Stück waren gewünscht, jedoch wurde dem nicht ganz exakt Folge geleistet: es sind nur 9 Stück.
Der Bass hat einen etwas ungelenk nah am Rand eingeklebten Zettel mit einem Stempel von Rudi Lang, Mittenwald. Rudolf Lang führte die Werkstatt fort, die sein Vater Benedikt Lang (*1893 Schönbach †1975 Mittenwald) 1946 in Mittenwald neu gegründet hatte, nachdem die Familie nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Westböhmischen Musikwinkel vertrieben wurde. Instrumente von Benedikt Lang haben meistens einen gedruckten Zettel mit Jahreszahl – der Zettel in diesem Bass hingegen wirkt hingegen etwas improvisiert, eine Jahresangabe fehlt. Vielleicht hatte Rudi Lang, nachdem er die Werkstatt übernommen hatte, noch keine Zettel mit seinem Namen drucken lassen und hat deswegen auf Stempel und Stempelkissen zurückgegriffen.
Graphologisch spricht einiges dafür, dass die Inschrift nicht von Rudi, sondern von jemandem älteren Alters stammt, denn Rudis Schulzeit fiel vermutlich in die Zeit, in der an deutschen Schulen vorwiegend Sütterlin als Ausgangsschrift gelehrt wurde. Die Inschrift ist jedoch in einer sehr schräg gestellten lateinischen Kurrentschrift mit ausgeprägten Ober- und Unterlängen. Aber aufgrund der geografischen Herkunft der Familie ist eine Deutung des Schriftbildes sicherlich komplexer. Einfacher sind die baulichen Merkmale des Basses zu deuten: die Decke des Basses hat einem „stehengelassenen“ (nicht eingeleimten) Bassbalken, ist also in böhmischer und nicht Mittenwalder Tradition gefertigt. Auch auf der Deckeninneseite ist eine Botschaft zu finden: 1993 reparierte der ebenfalls aus einer böhmischen Geigenbauer-Familie stammende Franz Wilfer in Nauheim den Bass, und vermerkte das mit Bleistift.