2020 starb der Jazzbassist Jürgen Wuchner. Mitte der 1990er Jahre lebte ich einige Jahre in Darmstadt, und erlebte Jürgen als Dreh- und Angelpunkt der dortigen Jazzszene. Jürgens Frau Monika hat nun ein Buch herausgegeben, und 75 Kompositionen Jürgens posthum veröffentlicht.
Das Buch ist toll aufgemacht: Zwei massive Graupappe-Bögen bilden den Umschlag, und durch die Fadenheftung lässt es sich gut blättern. Auch auf dem Notenständer bleibt es aufgeschlagen, so dass man die Leadsheets auch wirklich benutzen kann.
Der Inhalt des Buches spricht aber nicht nur Musikerinnen und Musiker an. Der erste Teil des Buches vereint Bilder, Zeitungsausschnitte und niedergeschriebene Gespräche mit Jürgens Weggefährten und Mitmusikern. Jürgens Laufbahn als Jazzbassist begann in den 1970ern, als er in den Bands um Hans Koller, Heinz Sauer und Herbert Joos spielte. Später spielte er im Vienna Art Orchestra; in den 1990ern rief er in seiner Heimatstadt Darmstadt die Jazz Conceptions ins Leben – eine alljährliche Workshop-Reihe in den Sommerferien. Auch seine Tourneen nach China, Indien und Kuba sowie die Zeit Anfang der 2000er, als er einige Jahre in Senegal/Afrika lebte, illustriert das Buch.
Monika Schießer-Wuchner: Serendipity. Jürgen Wuchners Kompositionen. Wolke Verlag, Hofheim 2023, ISBN 978-3-95593-144-5
Dem Insider fällt ins Auge: Jürgen spielt hier den Deutschen Bogen im Obergriff. Eigentlich hat er aber auch vorschriftsmäßig im Untergriff gespielt.
Den links abgebildeten Kontrabasskoffer erkenne ich wieder. Als Jürgen seinen Bass in Indien aus dem Koffern nahm, hatte sich der Hals gelöst – er fand dort aber tatsächlich einen in Mittenwald ausgebildeten Geigenbauer, der ihm den Hals wieder ordentlich einleimte.
Jürgen hatte mir die Kiste später verkauft, als ich mal eine kleine Tour in Marokko spielte. Die Holzkiste passte zwar gerade so in meine Volvo 246, war aber seeehr schwer und deswegen für Flugreisen eher unzweckmäßig. Ich habe sie dann an eine Filmproduktion weiterverkauft, die genau so eine Kiste zum Transport eines Mordopfers suchte.
Das Buch ist großartig gemacht und für jeden, der Jürgen kannte, ein “Muss ich haben”, selbst wenn man keine Noten lesen kann, so wie ich. Die Beiträge der Musiker, die mit ihm gearbeitet haben, machen das Buch zu etwas Persönlichem.
Wolfgang Roth, Vorstandsvorsitzender Jazz-Initiative Frankfurt am Main e.V.