Kontrabass-Transport per Fahrrad ist bei mir ja schon seit einiger Zeit Alltag, ich benutze dazu einen Kontrabass-Trailer, den ich selbst zusammengebaut habe. Zwar passt da nicht mehr als ein Instrument hinein, aber er lässt sich (ohne Rad) sogar recht problemlos mit in die Bahn nehmen. Für den Weg zu nahe gelegenen Auftritten, oder um einen Reparaturauftrag am Bahnhof in Empfang zu nehmen, ist der Trailer eine gute Alternative zum Kfz. Um aber gleich mehrere Instrumente zwischen Werkstatt und Laden bzw. Lager hin – und her zu transportieren (einfache Strecke 30 km) setze ich aber meist das Auto ein. Da ich aber viel lieber Fahrrad als Auto fahre, reizte mich die Frage: ließe sich das nicht doch auch per Lastenrad erledigen?
Unter der Überschrift „flottes Gewerbe“ organisiert cargobike.jetzt im Auftrag von Kommunen Test- und Beratungsangebote zum Thema Lastenfahrräder. Zur Fahrradmesse Eurobike wurde das Projekt auch in Frankfurt ausgeschrieben. Ich hatte mich erfolgreich beworben und mit meiner Fragestellung den Zuschlag für eines der Testräder erhalten. Anfang Juli wurden die Lastenräder auf der Eurobike an die Testbetriebe übergeben. Zuvor war in Beratungsgesprächen ermittelt worden, welches der Lastenräder-Modelle für den jeweiligen Betrieb interessant sein könnte. Die Teilnehmer kamen aus unterschiedlichsten Branchen: Kontrabassbau, Steinmetz, Physiotherapeutin, Konzertveranstalter, Möbelhandel, Lebensmittelhandel.
Die Wahl fiel in meine Fall auf das Lastenrad VeloBring von Bayk.ag, einem Hersteller, der schon seit 20 Jahren mit Velotaxis auch in Frankfurt präsent ist. Das Bayk bietet ausreichend Platz für eine Europalette, und der Aufbau mit Plane ist flexibel genug, um auch mit so etwas ganz und gar nicht kastenförmigen wie einem Kontrabass beladen zu werden. Die Übergabe und Einweisung erfolgte im Rahmen einer öffentlichen Präsentation auf der Eurobike. Anschließend ging es auch sofort los. Unser Kontrabass-Atelier ist ja nur 5 min vom Frankfurter Messegelände entfernt, so dass ich sogleich ausprobieren konnte, ob und wie sich mehrere Bässe in das Bayk laden lassen. Als praktikabel erwies sich, die Bässe mit Spanngummis an der hinteren oberen Traverse festzubinden. Das Befestigen geht schnell, und die Gummis federn bei schlechter Fahrbahn Stöße ab. Käme das Bayk langfristig bei mir zum Einsatz, ließe sich am Gestänge sicher recht einfach eine gepolsterte Trägerkonstrunktion verschrauben.
Mit zwei Bässen an Bord ging es dann los auf die 30 km lange Strecke von Frankfurt nach Friedberg. Eine direkte Radverbindung gibt es für diese Distanz aber nicht. Die Strecke, die ich zuletzt mit dem „normalen“ Rad gefahren war, wollte ich mit dem Bayk lieber nicht fahren: einige Stellen waren mir als eher Lastenrad-untauglich in Erinnerung, und auch Kopfsteinpflaster wollte ich mit den Bässen lieber meiden. An der Nidda gibt es Unterführungen unter Brücken, wo ich mir nicht sicher war, ob sie überhaupt hoch genug sind, zudem sind auf dem stellenweise engen Nidda-Radweg immer viele Leute auch zu Fuß unterwegs. Ich befragte also den Radroutenplaner Hessen und die Navi-Apps von Apple und Google nach Alternativen und los ging’s …
Das Bayk fährt sich recht einfach, obwohl es sehr schwer ist. Der elektrische Antrieb arbeitet effizient und unterstützt in fünf Abstufungen – mehr als Stufe zwei musste ich aber nie wählen. Die meiste Zeit reichte mir Unterstützungsstufe eins. Etwas nervig ist, dass bei 25 km/h abgeregelt wird – das ist deutlich langsamer, als ich sonst unterwegs bin, aber der Gesetzgeber will es halt so. In der Stadt ist das niedrige Tempo auch angemessen, aber auf freier Strecke über Land etwas frustrierend, vor allem, wenn es bergab geht und das Rad sogar noch vom Motor gebremst wird. Andererseits ist das Lastenrad ja auch kein Leichtgewicht und wäre in bestimmten Situationen auch schwer zu kontrollieren, wenn es schneller führe.
Als größtes Problem entpuppte sich aber meine schlechte Vorbereitung. Die Radroutenplaner-App erzeugte zwar einen Streckenvorschlag, bietet aber keine Navigationsfunktion. An jeder Ecke anzuhalten und auf die Karte zu schauen war mir aber rasch zu mühselig, deswegen wechselte ich zur Navigation per iPhone bzw. Apple Watch. Hier hat man aber das Problem, dass im Navi-Modus „Fahrrad“ auch Strecken ausgewiesen werden, die mit dem Bayk schlicht unbefahrbar sind. Es dauerte nicht lange, und ich hatte mich heillos verfahren. Zu schmale Wege oder Baustellen-Sperrungen sind auch sonst ärgerlich – mit dem Bayk aber ein Fiasko, wenn es keinen Platz zum Wenden gibt. Denn man kann nicht einfach absteigen und das Rad herumheben. Als an einer Stelle der „Radweg“ in einen Feldweg überging, und der dann in einem Acker mündete, verfluchte ich mal ganz kurz meine verrückte Lastenrad-Idee …
Grundsätzlich ist das Finden einer idealen Strecke aber eine lösbare Aufgabe. Zu unbekannten Zielen auf dem Land sollte man mit dem Lastenrad aber besser nicht aufbrechen. Innerhalb der Stadt stellt sich das Problem so nicht – wo man mit dem Auto fahren kann, hat man auch mit dem Lastenrad keine Probleme. Im ländlichen Raum mit seinen autobahnähnlichen Bundesstraßen, die zudem nicht selten als reine „Kraftfahrstraßen“ für Fahrräder gesperrt sind, ist man aber auf durchgehende, echte Radwege angewiesen, die nicht einfach so im Nichts enden. Bei meiner Tour zurück nach Frankfurt war ich dann aber besser vorbereitet, und nahm dann doch den an sich schön zu fahrenden Weg an der Nidda entlang. Es gab zwar einige Engstellen, aber die Brücken waren breit genug, und Brückenunterführungen hoch genug.
Mal abgesehen von der Infrastruktur: wie hat sich das Bayk nun bewährt? Platzangebot und Zuladung ist immens – für meine Zwecke aber überdimensioniert. Zwei Bässe mit Taschen liegen noch unter 30 kg, das Bayk schafft 175 kg. Aber Bässe sind eben sperrig. Ein so leistungsfähiges (und damit schweres Lastenrad) braucht man dafür eigentlich gar nicht. Eine für Kontrabässe angemessenere Lösung wäre vielleicht ein größerer Anhänger, in den mehr als nur ein Instrument passt. Aber gerade für solche Fahrrad-Anhänger plant Verkehrsminister Wissing (FDP) gerade gravierende gesetzliche Einschränkungen.
Aber mit welchem Fahrradtyp auch immer man die Strecke bewältigen möchte: Für den Radschnellweg zwischen Friedberg und Frankfurt wurde auch nach fast 10 (!) Jahren Planungsphase noch nicht einmal eine konkrete Streckenführung beschlossen. Unterdessen plant man in Verkehrsministerium gerade, die Autobahn A5 auf 10 Spuren zu erweitern … mal sehen, was von beidem eher fertig wird, ich habe da so eine Befürchtung. Es wird in jedem Fall noch etwas dauern, bis ein Lastenrad oder Trailer für diese Strecke wirklich eine Option für den Kontrabasstransport werden kann.
Nachtrag: Passend zum Thema noch ein Link zur Petition gegen eine gesetzliche Einschränkung von Fahrrad-Anhängern nach dem Klick.
Hallo Jonas,
unglaublich, was du alles in Angriff nimmst und wirklich so lange herumprobierst, bis du eine Lösung findest, ganz toll ist das, Hut ab!
Ganz klar sind es politische Entscheidungen, dass in Deutschland meistens das Auto gewinnt, da die Wirtschaft so stark vom Auto profitiert, die FDP auch noch im Verkehrsministerium sitzt und die Bevölkerung anscheinend zuviel Angst vor möglicherweise etwas unbequemen Änderungen hat und somit die falschen Parteien wählt.
Da helfen nur Einzelinitiativen wie von Dir, sehr gut.
Vielen Dank dafür, Jonas, dass du deine Neugier und Offenheit so positiv für die Allgemeinheit einsetzt!