Als ich vor rund 10 Jahren als Jazztourist New York besuchte, verbrachte ich einen unvergesslichen Abend im Zinno’s, einem italienischen Restaurant in Manhattan, das jede Nacht Live-Jazz auf dem Programm hat. An diesem Abend spielte dort Bucky Pizzarelli im Trio mit John Bunch am Piano und Bob Haggart am Bass. Pizzarelli war mit knapp 70 Jahren das jüngste der drei Bandmitglieder, und sein Name war der einzige, mit dem ich damals etwas anfangen konnte. Obwohl mir auch der Name des Bassisten schon einmal irgendwo begegnet war … und tatsächlich ist Bob Haggart (*1914 – † 1998) ein Pionier des Jazzkontrabass, dessen Name zu Unrecht etwas in Vergessenheit geraten ist, wie ich finde.
Er begann als Gitarrist, und brachte sich während seiner Highschool-Zeit das Bassspiel bei. 1933 kaufte er sich seinen ersten eigenen Bass. Sein erstes längeres Engagement wurde allerdings von einem Unfall überschattet. Während der Anreise per Schiff kam bei bewegter See ein Klavier ins Rutschen, das seinen Bass irreparabel zerquetschte.
1935 wurde er von Bob Crosby engagiert, und gehörte bald zu den führenden Bassisten der Swing-Ära. 1937 gewann er den Metronome-Poll als bester Bassist. In den 1940er Jahren arbeitete er als Arrangeur und Studiobassist, und trat regelmäßig mit Trompeter Yank Lawson auf. Aber auch Louis Armstrong, Duke Ellington, Billie Holliday, Sarah Vaughn und Charlie Parker gehörten zu seinen Brötchengebern.
Seine bekannteste Aufnahme ist wahrscheinlich “Big Noise from Winnetka”: ein effektvolles Stück, dass er auch komponiert hatte und erstmals 1938 im Duo mit Schlagzeuger Ray Bauduc aufnahm. Haggart zupft und slappt und pfeift die Melodie, bis die Nummer ihren Höhepunkt darin findet, dass Bauduc mit seine Drumsticks die rechte Hand Haggarts ersetzt und beide gemeinsam Bass spielen. Als Bassist George Duvivier diese Aufnahme hörte, war er von Haggarts Spiel sehr beeindruckt: “Mein Gott, was für eine Leichtigkeit! Ich begann sofort, das herauszuhören und zu üben, und war auch irgendwann fast soweit, dass meine Finger schnell genug über die Saiten sprangen. Ein paar Jahre später erfuhr ich zu meinem Entsetzen, dass Drummer Ray Bauduc die Saiten mit den Drumsticks anschlug, während Haggart nur die Töne griff … “
“Big Noise from Winnetka” war seinerzeit ein echter Jukebox-Hit, und ist in den USA auch heute noch relativ bekannt. Haggart komponierte aber auch weitere Hits, so zum Beispiel “South Rampart Street Parade” oder die Ballade “What’s New” – heute ein echter Jazzstandard, der später auch von John Coltrane aufgenommen wurde und es bis ins Real Book gebracht hat.
1941 erschien “Bob Haggart’s Bass Method” – die erste Schule für Jazz-Kontrabass überhaupt, und heute schon seit Jahrzehnten vergriffen. Im Vergleich mit modernen Basschulen ist Haggarts Schule bereits erstaunlich komplett: zahlreiche Fotos zur Handhaltung und Bogentechnik, harmonische Grundlagen und der Aufbau von Bassbegleitungen – lange Jahre war diese Schule ohne Konkurenz, und das Standardwerk für angehende Jazzbassisten. Ein Kapitel widmet er sogar der Slap-Technik – einer Spielweise, die heute aus dem Repetoire der meisten Jazzbassisten verschwunden ist und in kaum einer Schule mehr Erwähnung findet.
Eigentlich schade, das ich all das über diesen weißhaarigen Gentleman am Bass an jenem Abend im Zinno’s noch nicht wusste …
youtube removed the video :-((
Where else can i get it ?
Thanks
Bob Haggart and Ray Bauduc can now be SEEN and HEARD playing “Big Noise From Winnetka” – on the amazing YouTube video site:
http://www.youtube.com/watch?v=-Xr4YWSAitw
It must be so strange to play notes on a bass with the left hand only and not plucking them!